Setzt euch ans Feuer, Freunde, und lasst uns ein Glas auf die Geschichten heben. Heute Abend habe ich keine Rezension für euch, kein Urteil über Sieg oder Niederlage. Heute habe ich eine Frage, die mir auf der Zunge brennt, seit ich aus der Welt von Until Then zurückgekehrt bin. Es ist eine Frage, die am Herzen dessen rührt, was wir lieben: Was bedeutet es im Jahr 2024 eigentlich noch, „Indie“ zu sein?
Schnappt euch euer Getränk, denn diese Geschichte beginnt auf den Philippinen, mit einem Spiel, das so authentisch und voller Gefühl ist, dass es einem den Atem raubt.

Die Einladung: Ein Funke am Kamin
Manchmal stolpert man über ein Spiel, das sich nicht wie ein Produkt, sondern wie ein handgeschriebener Brief eines Freundes anfühlt.
Until Then ist so ein Brief. Entwickelt von einem kleinen Studio namens Polychroma Games , erzählt es eine Geschichte über Freundschaft, Verlust und das Erwachsenwerden, die so tief in der philippinischen Kultur verwurzelt ist, dass man die Luftfeuchtigkeit von Manila fast auf der Haut spüren kann.
Du fährst mit der Bahn, isst Fischbällchen vom Straßenstand und scrollst durch ein soziales Netzwerk, das sich anfühlt wie ein Relikt aus dem Jahr 2014. All das, während eine metaphysische Katastrophe namens „The Ruling“ langsam die Realität zerfrisst und Menschen verschwinden lässt. Es ist persönlich, es ist handgemacht, es ist alles, was ich an Indie-Spielen liebe. Es schreit aus jeder Pore: „Wir sind unabhängig!“
Doch dann habe ich hinter den Vorhang geblickt und etwas entdeckt, das mich ins Grübeln brachte. Und genau darüber müssen wir heute reden.

Die Erzählung: Herzblut, Gemeinschaft und ein unerwarteter Gönner
Die Seele von Polychroma Games ist die Geschichte ihres Gründers, Mickole Klein Nulud. Stellt euch einen 15-Jährigen vor, der aus dem Schmerz eines gebrochenen Herzens heraus ein kleines Spiel namens
Seen erschafft. Ein Soloprojekt, geboren aus echter, roher Emotion. Das ist der Urknall dieses Studios, der Beweis, dass am Anfang nur eine persönliche Geschichte stand, die erzählt werden musste.
Jahre später, während der Pandemie 2020, wuchs aus diesem Funken ein Feuer. Nulud versammelte ein kleines Kernteam von etwa zehn Leuten, um
Until Then zu erschaffen. Sie waren keine anonyme Entwicklertruppe, sondern eine Gemeinschaft, die ihre kollektiven Erinnerungen an das Leben auf den Philippinen in dieses Projekt goss. Ihre Mission war klar: „Wir wollten einen ausgeprägten philippinischen Geschmack“. Sie wollten keine generische Welt bauen, um ja niemanden vor den Kopf zu stoßen. Nein, sie taten das genaue Gegenteil. Sie erschufen eine Welt so spezifisch und authentisch, dass sie dadurch universell wurde. Denn das Gefühl von Verlust und Freundschaft ist überall auf der Welt dasselbe, auch wenn die Snacks am Straßenrand andere sind.
Klingt wie die perfekte Indie-Geschichte, oder? Ein kleines Team, eine persönliche Vision, kreative Freiheit bis zum Anschlag. Und genau hier, Freunde, wird die Sache kompliziert. Denn um diese Vision in ihrer ganzen Pracht zu verwirklichen, taten sie sich mit einem Partner zusammen: Maximum Entertainment. Und das ist kein kleiner, lokaler Gönner. Das ist ein globales, börsennotiertes Unternehmen.
Maximum Entertainment finanzierte wahrscheinlich nicht nur einen Großteil der Entwicklung – wir reden hier von geschätzten Kosten zwischen 640.000 und einer Million Dollar –, sie übernahmen auch das gewaltige Marketing, die Lokalisierung und den weltweiten Vertrieb. Ohne diesen mächtigen Verbündeten wäre
Until Then vielleicht nie das geworden, was es ist: ein globaler Erfolg mit über 9.000 „äußerst positiven“ Reviews auf Steam.

Das Fazit des Wirts: Wenn der Geist zählt, nicht der Geldbeutel
Und da sitzen wir nun vor meiner Frage. Ist ein Spiel noch „Indie“, wenn es von einem großen Publisher finanziert und auf den Markt gebracht wird?
Wenn wir uns stur an die Definition halten – finanzielle Unabhängigkeit als oberstes Gebot –, dann lautet die Antwort: Nein. Polychroma Games hat die traditionelle Indie-Taverne durch die Vordertür verlassen und sich in die Obhut eines reichen Handelshauses begeben.
Aber wenn ich dieses Spiel spiele, wenn ich die Leidenschaft in jedem Pixel und jeder Zeile Dialog spüre, dann schreit mein Herz: „Und ob das Indie ist!“
Die kreative Unabhängigkeit, die Seele des Projekts, blieb unberührt. Das Team erschuf eine autorengeführte, filmische Erfahrung und entschied sich bewusst gegen Gameplay-Mechaniken, die ihre Vision hätten verwässern können. Sie haben nicht ihre Kunst für den Kommerz verkauft; sie haben den Kommerz genutzt, um ihre Kunst zu ermöglichen. Es ist eine Symbiose: Die kreative Vision, die ein großes Unternehmen nur schwer selbst erzeugen kann, trifft auf die finanzielle Kraft, die ein kleines Indie-Studio einfach nicht hat.
Vielleicht ist der Begriff „Indie“ einfach nicht mehr ausreichend. Vielleicht brauchen wir ein neues Wort. Manche nennen es
„Published Indie“ oder „AA-Indie“. Ein Begriff, der die finanzielle Realität anerkennt, ohne den kreativen Geist zu verraten. Es ist der Geist eines unabhängigen Filmemachers, der die Mittel eines großen Studios nutzt, um seine ganz persönliche Geschichte zu erzählen.
Für mich als Wirt ist die Sache klar: Der Geist in der Flasche ist wichtiger als das Etikett, das darauf klebt. Der „Indie-Geist“ – der Mut zu persönlichen Geschichten , zu kreativem Risiko und zu künstlerischem Ausdruck – ist es, was zählt. Und dieser Geist brennt in
Until Then heller als das Feuer hier in meinem Kamin.

Was meint ihr, meine Gäste?
Doch das ist nur die Meinung eines alten Wirts. Jetzt seid ihr an der Reihe.
Was meint ihr? Wo zieht ihr die Grenze? Ist „Indie“ eine Frage des Geldes oder eine Frage des Herzens?
Stoßt mit mir im Kommentarbereich an und lasst uns darüber reden. Ich bin gespannt auf eure Geschichten!